Nur die Harten kommen in den Garten!

Heute geht es wieder um einen abgeschlossenen Fall. 

Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung muss ein Discounter an meine Mandantin zahlen. Zwar hat das Gericht ein Mitverschulden meiner Mandantin angenommen und damit ihr nur 50% des eingeklagten Betrages zugesprochen. Jedoch auch das ist ein sehr gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass sowohl außergerichtlich, als auch im gesamten Gerichtsverfahren die Beklagte die Pflichtverletzung bestritt und keine Einigungsbereitschaft bestand.

Aber worum ging es im Verfahren?

Am 2. Februar 2018 wollte meine Mandantin zusammen mit ihrer volljährigen Tochter ihren Wocheneinkauf im bekannten Discounter erledigen. Es war nass. Auf dem Parkplatz und vor dem Eingang lag Matsch. Im Eingangsbereich war der Boden gekachelt. Es standen damals noch Blumenregale. Weder war ein Hinweisschild „Vorsicht! Rutschgefahr!“ vorhanden, noch Schmutzfangmatten ausgelegt. Meine Mandantin rutschte aus, stieß mit dem Kopf gegen die Glastür und fiel. Bis heute fehlen ihr Erinnerungen an den Unfall. Ihre Tochter, die schon vorgegangen war, hörte Krach und sah, dass ihre Mutter auf dem Boden lag. Zusammen mit dem Filialleiter hat sie meine Mandantin in den Aufenthaltsraum gebracht und auf das Sofa gelegt, weil meine Mandantin weder laufen noch sitzen konnte. Statt eines Kühlpacks wurde meiner Mandantin eine tiefgefrorene Ganz aus der Tiefkühltruhe gebracht. 

Nach dem Eintreffen des Rettungswagens wurde meine Mandantin ins Krankenhaus gebracht. Es wurden Prellungen im Gesicht und Gesäß sowie Gehirnerschütterung festgestellt. Später wurde festgestellt, dass im Oberschenkel die Muskulatur gerissen war, die für Beinbewegung verantwortlich war.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus konnte meine Mandantin noch mind. 4 Wochen nicht laufen und sitzen. Ihr Ehemann musste sie überall hinfahren und die gesamte Hausarbeit übernehmen. Nach 6 Monaten hat sich der Riss erholt, jedoch ist die Muskulatur nicht ganz richtig zusammengewachsen, sodass meine Mandantin bleibende Schäden davonträgt.

Außergerichtlich hat der Discounter bzw. seine Haftpflichtversicherung jegliche Haftung abgelehnt. Bemerkenswert ist, dass es weder einen Unfallbericht, noch irgendeine andere Art der Dokumentation des Unfalls gab.

Weil wir außergerichtlich nicht weiter kamen, musste geklagt werden. Eingeklagt waren insgesamt über 5.000,00 €, sodass der Streit beim Landgericht Köln verhandelt wurde.

Der Discounter wurde durch eine namhafte Großkanzlei vertreten, die jedoch immer wieder sehr kuriose Angaben zum Sachverhalt machte. Im Wesentlichen wurde in rechtlicher Sicht vorgetragen, dass der Eingangsbereich alle 30 Minuten rechtsprechungskonform gewischt wird, sodass ausschließlich meine Mandantin wegen Unachtsamkeit für den Unfall verantwortlich war. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass in der Zwischenzeit die Filiale des Discounters so umgebaut wurde, dass im Eingangsbereich fest installierte Schmutzfangmatten eingebaut wurden. Die Prozessvertreter der Beklagten haben ernsthaft behauptet, die Matten waren schon zum Unfallzeitpunkt vorhanden. Dies konnten wir aber mit Fotos widerlegen.

Weil jegliche Vergleichsgespräche scheiterten, musste eine Beweisaufnahme mit Zeugenvernehmung durchgeführt werden. Dabei kam raus, dass tatsächlich weder Schmutzfangmatten, noch ein Warnschild am Unfalltag im Eingangsbereich vorhanden waren. Die Mitarbeiterin der beklagten konnte sich an das Randgeschehen wenig erinnern, wusste aber GANZ GENAU, dass sie noch ca. 18-20 Minuten vor dem Unfall den Eingangsbereich trockenwischte. Das, obwohl ein keine Dokumentation der Wischvorgänge in der Filiale gab.

Das Gericht wies allerdings uns darauf hin, dass aufgrund der Tatsache, dass meine Mandantin die Filiale gut kannte, ein Mitverschulden anzunehmen ist. 

Der Kollege von der Gegenseite, ein „Grünschnabel“, der erst kurz vor der Sitzung die Akte erhalten hat und keine „Befugnisse“ besaß, pochte auf der bekannten Rechtsprechung des BGH. Das trotz des richterlichen Hinweises, dass fehlende Schmutzfangmatten und Hinweisschilder die Haftung auslösen könnten. 

Am Ende musste das Gericht eine Entscheidung treffen. Und diese fiel zu unseren Gunsten aus J

Meiner Mandantin wurde anteilig Schmerzensgeld, Ersatz des Haushaltsführungsschadens, Kosten der außergerichtlichen Anwaltstätigkeit zugesprochen. Was sehr wichtig ist, dass das Gericht festgestellt hat, dass der Discounter für alle zukünftigen Schäden, welche in Verbindung mit dem Unfall stehen, zu 50% ersatzpflichtig ist. Großartig!

Zur Haftung hat das Gericht ausgeführt, dass im vorliegenden Fall strengere Verkehrssicherungsplicht bestand. Wegen der anhaltenden Nässe im Eingangsbereich und der schon zuvor durchgeführten Matschbeseitigungsarbeiten hätte der Discounter im stark frequentierten Eingangsbereich mehr Maßnahmen ergreifen müssen, um der Plicht Genüge zu tun. Entweder hätten Schmutzfangmatten ausgelegt werden müssen, oder es hätte ein Warnschild aufgestellt werden müssen. Weil dies unterlassen wurde, hat der Discounter auch zu haften. 

Ob der Discounter nunmehr die Berufung bei dem Oberlandesgericht Köln einlegt, wird sich zeigen. 

Für meine Mandantin ist es ein gutes Ergebnis, insbesondere im Hinblick auf den Feststellungsantrag. 

Für mich ist es eine erneute Bestätigung, dass es Gerechtigkeit gibt. Und dass ich als angestellte Rechtsanwältin einer Kleinkanzlei auch große Discounter und deren Großkanzleivertreter bezwingen kann. 

Nur die Harten kommen in den Garten!

Der „Joghurtbecher“-Fall.

Der „Joghurtbecher“-Fall.

Ich war gerade dabei mir für den ersten Beitrag Gedanken zu machen, welches Thema ich aussuche und über welchen außergewöhnlichen Fall aus meiner Praxis ich berichten kann, als meine Freundin mir ganz entrüstet über einen Vorfall im Supermarkt beim wöchentlichen Einkauf berichtete. 

Beim Ausladen der Waren auf das Band hat sie bemerkt, dass zwei Joghurtbecher kaputt waren. Sie wollte diese nicht mehr kaufen, die Kassiererin habe sie jedoch böse angeschnauzt und die Becher trotzdem durch die Kasse gezogen und ihr berechnet. 

Wir quatschten ganz gemütlich auf dem Weg vom Kindergarten wie zwei Mütterchen und regten uns über das Verhalten der Kassiererin auf. Und plötzlich dachte ich darüber nach, wie die Rechtslage im Fall meiner Freundin tatsächlich war. 

Recht begleitet uns überall und immer. Aber nicht immer sind wir darauf vorbereitet. Warum komplizierte Themen erläutern, wenn eine einfache Situation im Supermarkt eine Juristin zum Grübeln bringt?!

Die Kernfrage der Geschichte ist: „Bin ich dazu gezwungen Ware, die kaputt gegangen ist, zu kaufen?

Nein.  

Der Kaufvertag zwischen dem Kunden und dem Supermarkt kommt mit dem Scannen der Ware an der Kasse und dem Bezahlvorgang zu Stande. Die ausgestellt Ware ist ein Angebot an alle Kunden, diese Ware zu kaufen ( lat. Invitatio ad offerendum). Das konkrete Angebot macht der Kunde, indem er die Ware aufs Band an der Kasse legt. Und der Supermarkt, vertreten durch die Kassiererin, nimmt das Angebot auf Abschluß eines Kaufvertrages an, indem es die Ware scannt. Sagt der Kunde vor dem Scannen: „Ich möchte es doch nicht kaufen“, so zieht er sein Angebot zurück und der Vertrag wird nicht geschloßen.

Meine Freundin konnte also ganz entspannt ihre Meinung ändern und die Joghurts nicht mehr kaufen, weil sie entdeckt hat, dass diese beschädigt waren. 

Und nu? Fall zu Ende? Nein, so einfach geht es leider nicht.

Falls meine Freundin, auch fahrlässig, die Verpackung beschädigt hat, schuldet sie dem Supermarkt einen Schadensersatz aus deliktischer Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB. Sie hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Der Supermarkt ist immer noch der Eigentümer der mittlerweile kaputten Joghurtbecher. Und falls meine Freundin aus Unachtsamkeit die Deckel beschädigt hat, hat sie so das Eigentum des Supermarktes verletzt und ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Und der Schaden ist der Kaufpreis in diesem Fall. Also müsste sie den Kaufpreis bezahlen, ohne dass ein Kaufvertrag zustande kommt. 

Falls meine Freundin die kaputten Becher schon aus dem Regal entnommen hat (was gelegentlich auch mir passiert), so ist sie natürlich nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

In der Praxis wird der Fall so gelöst, dass der Supermarkt aus Kulanz in der Regel auf den Schadensersatz verzichtet. 

Entsteht im Supermarkt ein größerer Schaden, der vom Kunden verursacht wird, so muss dieser entweder durch den Kunden oder seine Haftpflichtversicherung ersetzt werden.