Heute werde ich weniger über das rechtliche, sondern eher über das menschliche sprechen.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich sehr blauäugig und gutgläubig bin. Ich glaube an das Gute im Menschen.
Aber immer wieder muss ich feststellen, das auch Menschen, die einem sehr nah stehen, einen sehr schwer hintergehen können. So ist es auch im Fall meiner Mandantin passiert. Weil der Fall noch laufend ist, kann ich noch nichts dazu sagen, wie das Verfahren ausgehen wird.
Die Frau habe ich kennen gelernt, als ich bei der Beratungsstelle des Kölner Anwaltvereins die Sprechstunden übernahmen. Diese Sprechstunden können von den Menschen aufgesucht werden, die nicht in der Lage sind eine anwaltliche Beratung zu bezahlen. Das Land trägt in diesem Fall die Kosten der Beratung, welche sich ausschließlich auf die Erstberatung begrenzt und nur 30 Minuten lang ist.
Meine spätere Mandantin war die dritte an diesem Tag. Klar, in der Zeit in der Pandemie trägt man Masken und hält Abstand. Aber als sie vor mir saß, habe ich gemerkt wie verzweifelt sie war. Sie hat mir erzählt, sie sei verheiratet und habe fünf Kinder. Sie sei geringfügig beschäftigt und weiß nicht mehr weiter. Sie wurde verklagt und war schon zusammen mit ihrem Ehemann bei seiner befreundeten Rechtsanwältin, welche sie zusammen mit dem Ehemann beraten habe. Trotzdem würde sie befürchten, dass der Ehemann sie belügen würde und ihr gefälschte Unterlagen gegeben habe, welche sie beim Gericht einreichen sollte.
Im Laufe des Gesprächs kam raus, dass das Fahrzeug, welches auf meine Mandantin zugelassen ist, aber von ihrem Ehemann gekauft wurde und auch die Versicherungsbeiträge von ihm bezahlt werden, von ihm regelmäßig genutzt wird. Es gab einen Verkehrsunfall, der von dem Ehemann unverschuldet war. Der Ehemann versicherte meiner Mandantin, dass er alles regeln werde. Dies hat er auch gemacht. Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlte den gesamten Schaden auf sein Konto. Den Zugriff auf sein Konto hat meine Mandantin nicht. Der Ehemann ging daraufhin in die Werkstatt und beauftragte die Reparaturen. Nachdem die Reparaturen ausgeführt wurden, hat er angeblich die Rechnung bezahlt.
Und plötzlich erreichten meine Mandantin die Rechnungen, Mahnungen, weitere Schreiben und ein Mahnbescheid. Der Ehemann versicherte die ganze Zeit, dass es doch nicht sein kann, weil das Geld schon längst an die Werkstatt angewiesen wurde. Als die Frau gegen den Mahnbescheid den Widerspruch eingelegt hat, ging es in das streitige Verfahren vor das Amtsgericht Köln über. In die Beratung kam die Frau, als das Verfahren schon fortgeschritten war und sie merkte, dass sie nicht mehr selber mit der Verteidigung weiterkam.
Als ich mir ihre Geschichte angehört habe und die Klage sowie ihre Äußering durchgelesen habe, habe ich verstanden, dass diese Frau Hilfe braucht. Also habe ich ihr geraten, weil sie eben den Verdacht hatte, dass der Ehemann ihr falsche Unterlagen für die Prozessführung gegeben hat, sich von der Rechtsanwältin, welche sie zusammen mit ihrem Ehemann beraten hat, zu trennen und auch den Ehemann nicht mehr in die Sache miteinzubeziehen. Es könnte sein, dass der Ehemann tatsächlich hier durch sie ein Prozessbetrug begehen könnte und im schlimmsten Fall sie gegen ihren Ehemann vorgehen müsst. Dann habe ich ihr meine Karte gegeben und wir haben uns getrennt.
Drei Wochen später meldete sich die Frau bei mir und bat mich ihr Verfahren zu übernehmen. Dies habe ich auch gerne gemacht.
Nachdem ich die Gerichtsakte erhalten habe und diese auch vollständig gesichtet habe, wobei ich gemerkt habe, dass die Klägerin es sich ziemlich einfach macht indem sie einfach behauptet, dass meine Mandantin ihre Vertragspartnerin geworden ist, obwohl meine Mandantin nie vor Ort in der Werkstatt war und keinen Auftrag erteilt hatte, habe ich das Gefühl bekommen, dass meine Mandantin auch deswegen die Verantwortung für das Verhalten des Ehemannes tragen soll, weil bei ihr kein pfändbares Einkommen vorliegt, so dass auch im Fall des Klagezuspruch die Klägerin kein Geld erhalten wird. Im Gegensatz dazu hat ihr Ehemann gute Einkünfte, allerdings auch gewisse Pfändungen auf seinem Konto.
Nunmehr ist die Situation auch deswegen verschärft, weil in der Zwischenzeit meine Mandantin in Abwesenheit ihres Ehemannes auf dem Computer recherchierte und auch die Original – Kontoauszüge gefunden hat, auf welchen die Zahlung an die Klägerin nicht ersichtlich ist. Sowohl die Original-Kontoauszüge, als auch die gefälschten Kontoauszüge hat sie mir übersandt. Wenn man diese nebeneinander legt, so sieht man, dass auf dem gefälschten Kontoauszug eine Zahlung eingefügt wurde. Dies erklärt natürlich, dass die Klägerin bis heute ihr Geld nicht erhalten hat. Diese Zahlung gab es einfach nicht.
Nunmehr in meiner Stellungnahme an das Gericht habe ich die Situation richtig gestellt und auch weitere Punkte angeführt, warum meine Mandanten gar keine Vertragspartnerin der Werkstatt geworden ist und sie auch deswegen nicht in Anspruch zu nehmen ist. Desweiteren habe ich dem Ehemann der Mandantin den Streit verkündet, sodass im Fall der Fälle, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, dass meine Mandanten wirksam durch ihren Ehemann vertreten worden ist, meine Mandantin gegen ihren Ehemann vorgehen kann.
Selbstverständlich ist nunmehr die Ehe zwischen den Eheleuten zerrüttet. Es wird früher oder später zu einer Trennung und Scheidung kommen. Meine Mandantin ist ziemlich am Boden zerstört, weil sie nie gedacht hat, dass der Vater ihrer Kinder sie so hintergehen kann und sie sehenden Auges in ein finanzielles Ruin treiben würde. Sie war leider mehrere Jahre viel zu gut gläubig und hat ihren Partner vertraut.
„In guten wie in schlechten Zeiten!“